Berlin, 31.10.2020 Bergauf und bergab im Tegeler Forst

In einem normalem Jahr hätte die Glocke der Flachslandener Kirche zwölfmal geschlagen und wir hätten uns auf die Mittelstrecke des Crosslaufes
gemacht. In diesem besonderem Jahr lag am letzten Oktobertag aoch eine Cross-Mittelstrecke vor mir, aber wenn eine Kirche irgendwo in der
Nähe zwölfmal schlug, dann kann es es nur die von Hermsdorf gewesen sein. Auf der Suche nach einem letzten Samstagswettkampf vor dem
Teillockdown stieß ich auf den dritten Lauf der 45. Sägerserie in Berlin-Reinickendorf, wo Online-Nachmeldungen bis neunzig Minuten vor dem
Start möglich waren. Die Ausschreibung versprach eine anspruchsvolle Strecke bei der härtesten Crossserie in Berlin und Brandenburg. 3,75 km
reichten aber für mich, denn auch der für den Sonntag geplante Hockenheimringlauf stand noch auf dem Programm, falls er nicht abgesagt werden würde.
85 Minuten vor dem Start spuckte mich der ICE im Mehdornium aus und so kannte ich den Berliner Hauptbahnhof noch gar nicht. Nahezu
menschenleer, so wie auf die S-Bahnen auf dem Weg nach Hermsdorf - da ist ja Sonntags früh noch mehr los. Dortselbst, eine Station vor
Frohnau, war ich aber nicht der einzige, welcher in Laufklamotten ausstieg. Das Ziel war der Hermsdorfer Sportplatz, wo der SC Tegeler Forst
zum 45. Male die aus drei Veranstaltungen mit bis zu 19 km langen Rennen bestehende Serie ausrichtet. Beim Eintreffen versiegte auch der
Dauerregen der letzten Tage, welcher die Aschenbahn und den Stadioneingang etwas unter Wasser setzte. Das mit der Anmeldung war eine
absolut problemlose Angelegenheit. Ich lief dann etwas Streckenkenntnis, ohne eigentlich zu wissen, so ich bin, aber der erste Eindruck reichte.
Es war eine gute Entscheidung, die Cross-Spikes mitzunehmen - sie sollten zum Einsatz kommen.
Es waren insgesamt etwa 230 Starter. In drei Reihen waren jeweils 10 Startpunkte markiert und jede Minute wurde ein 30er-Pulk auf die Reise
geschickt. Bei mir ergab es sich so, dass ich mit der dritten Welle meinen Platz fand und es so zwei Minuten später losging. Das Feld war hier
buntgemischt: einige Ältere, einige schnelle Jungs und etliche Nachwuchsläufer*innen. Jenseits der Aschenbahn konnten wir die Masken
runterziehen und es ging dann raus in den Wald. Bald kam der erste Anstieg und es sollte nicht der letzte sein. Im Herbstlichem Wald ging es auf
eiszeitlichen Hügeln hoch und runter über laubbedeckte und wurzelgespickte Wege. Ich wurde überholt und ich überholte auch, aber im Gegensatz
zu Flachslanden kannte ich ja keinen. Verlaufen konnte man sich nicht, überall standen Helfer und feuerten auch an, ebenso die Zuschauer. Statt
der Zeit ließ ich auf meiner Uhr die Kilometer laufen, nach 3,75 müsste es vorbei sein. Aber die Kilometer der Runde waren eh markiert. Etwa
nach 2 Kilometern galt es, im 45-Grad-Anstieg schnell mal 15 Höhenmeter zu bewältigen - die Eigernordwand. Und wo man hoch musste, muss
man dann im Sturzflug auch wieder runter kommen. Von hinten überholten einige ganz Schnelle aus den nächsten Gruppen, dafür holte ich auch
etliche ein, die wohl zu schnell angegangen waren. Der letzte Berg - dann kannte ich die Strecke. Quer durch die große Pfütze am Stadioneingang
, dann auf die Aschenbahn und durch die Pfützen etwas Endspurt, bis ich nach 17:20 min die Ziellinie überquerte. In der M50 (es gab hier nur
Zehnerschritte) war keiner schneller als ich, also auch ein kleines Erfolgserlebnis.
Die Veranstaltung fand allgemeines Lob: trotz der besonderen Bedingungen familär und stimmungsvoll, aber eben auf anspruchsvoller Strecke.
Ein Läufer, mit dem ich mich unterhielt, war auch überrascht, dass es im vermeindlich flachen Norden Berlins derartige Hügel gibt - der Eiszeit,
welche diese Landschaft formte, sei Dank. Ich redete noch einer schmerzenden Sehne gut zu, lief mich kurz aus und spülte noch schnell den
Schlamm von den Waden, um dann noch eine S-Bahn früher fahren zu können. So hatte ich im Medohrnium noch mehr Zeit zur Nahrungssuche. Im
ICE waren wir dann keine zehn Fahrgäste im Wagen und ich las im Tagesspiegel in aller Ruhe die Sonderbeilage zu einer Flughafeneröffnung. Da was doch was 3073 Tage nach der Nichteröffnung 2012...

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